R Erzähl doch ein wenig über Deinen bisherigen Werdegang. Was hast Du studiert und wie hat sich die Leidenschaft für das Filmen entwickelt?
Nach einer Ausbildung zur Schauwerbegestalterin habe ich das Abitur nachgeholt und dann kurz Medienwirtschaft studiert, aber das war viel zu wenig Gestaltung. Daher habe ich gewechselt und auf der Mathildenhöhe in Darmstadt Kommunikationsdesign studiert, was eine sehr gute Entscheidung war. Insbesondere das recht freie System, sich selbst die Entwurfskurse zusammen wählen zu können und alle „Bausteine“ miteinander zu kombinieren, war sehr individuell nutzbar. Und somit konnte man sich immer neue Herausforderungen ins Boot holen. Über Mario (Mario A. Conte, ebenfalls Gründer von Projekt Gold) kam ich dann immer mehr zum Film, da Film von Anfang an seine Spezialisierung war. Ich mochte die fokussierte Energie bei einem Dreh und die Teamarbeit. So wurde Film also immer mehr zu einem Thema für mich und wir beschlossen, zu meinem Diplom einen Film zu machen, woraus am Ende ein 63-minütiger Streifen mit Meret Becker entstand (Record 12). Nach dem Studium haben Mario und ich uns direkt gemeinsam selbstständig gemacht.
R Wie habt Ihr Euch denn als Geschäftspartner kennengelernt? Und seit wann seid Ihr schon gemeinsam selbstständig?
Mario und ich haben uns schon vor über 17 Jahren kennengelernt und sind seit 2005 mit Projekt Gold als Filmemacher im Bereich Spiel- und Dokumentarfilm selbstständig und seit 2012 kreieren und realisieren wir auch Werbefilme.
R Warum habt ihr Euch für die Selbstständigkeit und keine Festanstellung entschieden? War es schon immer Euer Plan, sich selbstständig zu machen?
Eigentlich bedeutete bereits das Diplom für uns, irgendwie selbstständig zu sein ohne Geld zu verdienen. Wir mussten auch da schon alle Filmphasen abwickeln um das Projekt an den Start zu bringen, vor allem in sehr kurzer Zeit. Wir haben beide Fähigkeiten, die sehr gut ineinander verzahnt funktionierten und sich ergänzen. Mario hat die überaus wichtigen golden-classic Filmemacher-Fähigkeiten, um auch Langfilme realisieren zu können: Storytelling, außergewöhnliche Ideen, Dramaturgie, Auflösung und Regie, Timing im Schnitt, gepaart mit einer unschlagbaren Klarheit bei Drehs in auch wirklich sehr kniffligen, undurchsichtigen Situationen. Und er ist der Meister des Plan-Bs, er würde nie resignieren. Ich bin eher etwas ambivalenter aufgestellt. Mit dem Kommunikationsdesign-Background bin ich von Haus aus sehr visuell, stimmungssensitiv, immer an Experimenten und dem Ungewöhnlichen interessiert, eher wenig konventionell und mit Zielgruppen-Verständnis versorgt. Ich habe aber auch ein ordentliches Interesse an Menschen und an dem was sie antreibt. Was zum einen sehr wichtig ist für authentische Gespräche bzw. Interviews in Werbe- und Dokumentarfilmen, aber auch zum Erkennen des wesentlichen in der Konzeptionsphase und zum anderen für jede Art von Teambildung sehr nützlich ist. Und dann gibt es da noch mein Faible für Humor. Alles Ironische, Schrullige, Charmante und Schräge ist bei mir gut aufgehoben. Und mit dem gemeinsamen Potenzial können wir als Projekt Gold außergewöhnliche Filme kreieren und realisieren.
R Wieso habt Ihr Euch für Mannheim als die Stadt entschieden, in der ihr lebt und arbeitet?
Nach dem Studium gab es die Frage Berlin oder nicht Berlin. Und als wir uns gegen Berlin entschieden hatten, gab es in Mannheim einige Aspekte die bei einer Gründung sehr praktisch waren, wie zum Beispiel Investitionsförderungen aber auch grundsätzlich die Filmförderung in Baden-Württemberg. Und in einer wenig gefeierten Stadt, lebt es sich eigentlich nicht schlecht.
R Gab es anfänglich auch Schwierigkeiten auf dem Weg in die Selbstständigkeit, mit denen Ihr zu kämpfen hattet?
Klar, gab und gibt es Schwierigkeiten wenn man Filme macht. Das ist glaube ich normal. Bei den großen langjährigen Projekten, wie zum Beispiel bei Kings of Kallstadt, trägt man immer ein großes Risiko von Anfang an, da man sehr stark in Vorleistung treten muss, um es überhaupt realisieren zu können. Und da muss man dann einfach durchhalten. Grundsätzlich haben wir auch immer viel Freude an Herausforderungen und neuen Wegen. Das macht das Leben nicht immer leichter, aber die Qualität der Arbeit eigentlich immer besser. Das Schöne ist aber, dass die Anerkennung bei Filmfestivals oder durch Nominierungen und Preise so einiges an Stress wieder ausgleicht.
R Ist die Stadt Mannheim als Standort relevant für Eure Arbeit?
Was die Filmbranche angeht, ist es hier manchmal schon schwierig. Ein großes Problem ist es die richtigen freien Mitarbeiter hier unkompliziert her zu kriegen oder Filmtechnik mal schnell auszuleihen. Und manche Berufsgruppen gibt es hier fast nicht, die leben in Berlin, Köln oder München. Das heißt man muss immer sehr genau planen, Leute anreisen lassen, Übernachtungsplätze finden und das ist manchmal knifflig, wenn man nicht genau weiß wie lange beispielsweise der Schnitt dauert oder die Schnittassistenz benötigt wird. Da wären Wohnungen für freie Mitarbeiter der Kreativwirtschaft manchmal ein echter Segen gewesen. Aber der Standort hat natürlich auch seine guten Seiten. Es war ungemein praktisch für den Dreh von „Kings of Kallstadt”, da Kallstadt nur 20 Minuten entfernt ist. Und Mannheim an sich hat uns auf die Idee gebracht die Film-Kampagne „Mannheim – Projekt Gold” der Wirtschaftsförderung vorzuschlagen. Daraus sind bisher fünf tolle Filmportraits über Mannheimer Kreative entstanden und hoffentlich werden es noch viel mehr.
R In einer Gemeinschaftsproduktion mit der Wirtschaftsförderung und Kreativwirtschaft der Stadt Mannheim sind diese fünf Filmportraits über Menschen in Mannheim entstanden. Welche Botschaft sollte mit den Portraits vermittelt werden?
Wir wollten Filmportraits machen, die nicht nur Mannheimern gefallen. Und das hat sehr gut funktioniert, wir haben für die Filme tolles Feedback von allen Seiten gekriegt. Ein Kollege von uns, der Musiker ist und für Hollywood manchmal Musik produziert, hat die Filme gesehen und gesagt „Scheiß auf Berlin, ich komme nach Mannheim!“. Die Aussage hat ziemlich gut getroffen, was wir transportieren wollten. Ein weiterer Aspekt des Konzeptes war, dass keiner der Portraitierten das Wort Mannheim direkt erwähnt und sagt, wie toll hier alles sei, das wäre die abgedroschene Lösung gewesen. Die Filmportraits sollten einfach ganz authentisch zeigen und vielschichtig kommunizieren, welches Potenzial es hier gibt – zeitgemäß und unique.
R Welche Tipps habt Ihr für Leute, die sich in der Filmbranche selbstständig machen wollen?
Ein normaler Start ist eigentlich, selbst Kurzfilme zu machen oder Projekte zu initiieren. Da kommt man nicht daran vorbei und man macht das auch meistens schon, bevor man offiziell mit der Selbstständigkeit beginnt. Und dann sollte man als selbstständiger Gestalter niemals auf Qualität verzichten und immer im Sinne des Projektes handeln.
R Drei Eigenschaften, die man mitbringen sollte um erfolgreich selbstständig zu sein…
Ich denke, dass Resilienz und eine gewisse Unerschrockenheit hilfreich sind. Eine Portion positiven Größenwahn finde ich auch nicht ganz verkehrt.
R Was wünscht Ihr Euch für die Zukunft und gibt es bestimmte Wunschprojekte, die Ihr noch gerne realisieren möchtet?
Momentan sind wir an der Stoffentwicklung für einen Spielfilm, noch ist geheim um was es geht.
Darüber hinaus wollen wir für Werbeagenturen oder Unternehmen verstärkt gute Werbefilme konzipieren und realisieren. Die Ideen gehen uns nie aus.
rootedly führte das Gespräch mit Simone Wendel von Projekt Gold.